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Evolution im Schnellwaschgang: Endler Guppys



„Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die am besten auf Veränderungen reagiert.“, sagte einst Darwin und legte seinerzeit damit bereits einen wichtigen Baustein, wenn nicht gar den wichtigsten. Ebenfalls bemerkte er in seiner „Entstehung der Arten“, dass Evolution nur sehr langsam vonstatten geht und sich generell eher nur schwer bemessen ließe. Einfacher wird allerdings eine Beobachtung an sich schnell replizierenden Organismen, die unter Selektionsdruck gesetzt werden.  Auf diese Idee kam auch der Biologe John Endler Anfang der ´80er, der sich für seine Forschungszwecke den Poecilia wingei zu Nutze machte. Seine Arbeit wurde entsprechend gewürdigt, sodass die kleinen beliebten Flossenträgern fortan als Endler-Guppys bezeichnet wurden.

Wie alles begann

In den Fokus rückten die Fische, als John Endler herausfand, dass Guppy Populationen in Trinidad an unterschiedlichen Standorten auch unterschiedliche Farben ausprägten. Er entdeckte, dass sie sich deutlich unterschieden und zwar je nachdem, ob die Fische im Bachober- oder im Bachunterlauf lebten. Ihm fiel auf, dass sich im Bachoberlauf nahezu keine natürlichen Fressfeinde befanden und die Guppy-Männchen farbenfrohe Muster präsentierten. Im Bachunterlauf hingegen waren die Guppys allerdings anderen Fischfressern ausgesetzt und schienen weniger farbenfroh und auffällig zu sein. Diese Entdeckung veranlasste ihn zu der Überlegung, womöglich einen natürlichen Selektionshinweis, sowie den Grund für diese Unterschiede herauszufinden. Da Guppys aufgrund ihres enormen Reproduktionspotenzials nicht umsonst auch den Beinamen „Millionenfisch“ tragen- unter anderem, da die Weibchen den Samen des Männchens speichern und sich noch einige Male selbst befruchten können, schienen sie zudem als die perfekten Versuchstiere.

Das Experiment des John Endler

12 Aquarien dienten dem Versuchsaufbau, jeweils 6 davon stattete er entweder mit einem bunten Kies oder einem bunten Sand aus und wählte für das Experiment auffällig gefärbte Tiere aus, die sich ein halbes Jahr lang an ihr neues Zuhause gewöhnen und vermehren konnten. Anschließend teilte er beide Populationen erneut auf, von denen zwei weiterhin unbehelligt im „Vergleichsaquarium“ verblieben. Die übrigen Versuchsgruppen erhielten allerdings einen neuen räuberischen Mitbewohner: die einen bekamen einen Hechtbuntbarsch (Crenicichla alta) vorgesetzt, der bis zu 30 cm lang werden kann und sich vorwiegend von Fischen ernährt, die anderen einen Kilifisch (Rivulus hartii), der aufgrund seiner Größe eher den Nachwuchs anderer Fische, sowie deren Laich futtert.

Auf diese Weise konnte der Biologe gleich vier Selektionsmethoden untersuchen; nämlich die Partnerwahl der Weibchen in Bezug auf die Farbe der Männchen, sowie eine erhöhte Fressgefahr aufgrund der Farbenpracht, einer höheren Überlebensrate durch Adaption und der Gesamtentwicklung unter Berücksichtigung der verschiedenen Überlebensquoten.

Vor allem der zügigen Vermehrung ist die übergroße Farbenpracht geschuldet, die nicht zuletzt Einfluss auf Genvielfalt hat. Gerade die buntesten Männchen stehen beim Guppyweibchen daher besonders im Fokus. Allerdings stehen in Endlers Experiment die Männchen vor der Qual der Wahl: Vermehren oder Überleben- wodurch sich ein entsprechender Konflikt ergab. Interessiert war er daher an ihrem Verhalten, eine Brücke zu schlagen.

Im Aquarium mit  Hechtbarsch nahmen die Männchen nach nur 15 Populationen nahezu die Bodengrundfarbe an, wobei die Tiere auf Kiesboden einige größere Muster und auf Sandboden etliche kleine Flecken ausbildeten, ihre Farben hingegen verblassten. Im Vergleich dazu waren die vielfältigen Farben im Kilifisch-Aquarium nahezu unverändert, da sich hier der Räuber praktisch nur an den farblosen Jungen bediente. Erst ab der dreißigsten Generation hatte sich ansatzweise ein Selektionsmuster in der Anzahl der Jungtierrate eingespielt- im Barschaquarium erblickte eine höhere Anzahl wesentlich kleinerer und frühreiferer Jungtiere das Licht der Welt, beim Kilifisch wurden hingegen weniger Junge, die allerdings größer wurden und sich erst spät ins Balzgeschäft mischten, geboren.


Natürliche Evolution

Auch bei den Fischen in den Bachläufen ließen sich diese Erkenntnisse feststellen, obgleich nicht ganz so fein differenziert, da bei den wilden Guppys außerdem weitere Parameter eine Rolle spielen, die so eher nur in der natürlichen Umgebung als im Aquarium vorkommen. Daher lässt sich mit Bestimmtheit sagen, dass das Überleben derjenigen Spezies, die sich am schnellsten anpasst und „gelernt“ hat, entsprechende Kompromisse einzugehen, noch am ehesten überlebt als andere.

Guppy sind in Sachen „schneller Evolution“ aber nicht die Ausnahme. Auch weitere Tierarten wie seinerzeit Darwins Galapagos Finken lieferten erste Belege dafür, aber auch die über 300 Buntbarscharten des ostafrikanisches Viktoriasees sind quasi durch eine „Evolution im Schnellwaschgang“ entstanden, einfach, weil sie ohne rasches Adaptieren sonst ausgestorben wären. Vor allem diese Barsche zählen bisher zu denen, die sich am schnellsten anpassen konnten. In den Sedimenten des Viktoria-Sees konnten Geologen die Entdeckung machen, dass dieser einst eher trockenes Steppengebiet mit Büschen und Gräsern war. Kurz nachdem der See entstand wurde er von Flussbuntbarschen besiedelt, die sich rasant an die neue Umgebung adaptierten. Biologen haben zudem herausgefunden, dass es vor allem die sehr kleinen Populationen sind, die sich am zügigsten neu orientieren und ihr Genmaterial verändern, denn in großen Gruppen wird der Genpool durch die Masse praktisch wieder abgefedert. Auch beim Menschen lässt sich in gewisser Hinsicht eine „natürliche DNA Manipulation“ hervorrufen, vor allem, wenn er beispielsweise dauerhaft unter Stress steht- was in etwa mit dem Raubfischdruck beim Guppy zu vergleichen wäre.


Letztlich bestimmt die Umwelt über Sein oder Nichtsein und das Survival of the fittest und so kommt es durchaus vor, ob bei Finken, Fischen oder auch anderen Tieren, dass sie sich eines Tages so sehr verändert haben, dass sie stellenweise kaum noch Gemeinsamkeiten mit ihren Vorfahren aufweisen. Auch auf den karibischen Inseln finden sich beispielsweise derzeit etliche Arten von Leguanen, von denen allein 42 Varianten allein auf Kuba vorkommen und dabei an unterschiedliche Lebensräume angepasst sind und diese besiedeln.


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