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Erwarte alles, glaube Nichts – im Land des falschen Lächelns

Inhaltsverzeichnis

 



Ich wohne seit 15 Jahren in Thailand. Die Sprache habe ich leidlich erlernt, kann sie aber nicht schreiben. Was ich jedoch ausgiebig studierte, sind die Verhaltensweisen der Menschen, denn das macht mir Spaß. Anfangs benahm ich mich wie jeder Ausländer sich benehmen sollte, zurückhaltend und mit Respekt zur „fremden“ Kultur.

Am Bach stehen Wassermoose Taxiphyllum sp. und Wasserfarne Leptochilus (Microsorum) sp. bilden herrliche Bestände, an denen man gern verweilt.

Das ging gut bis zu dem Zeitpunkt, als ich mitbekam, dass es gar keine richtige traditionelle Kultur gibt. So ziemlich alles in Thailand ist „Copy“, Mischmasch und zusammengereimt, kurz: Die Leute haben keinen Plan. Danach orientierte ich mich wieder nach meinen eigenen Gutdünken, was mir meistens weiterhalf – auch dabei, viele Geschichten zu sammeln. Und mein relativ früh gebildeter Slogan für Thailand „Erwarte alles, glaube nichts“ hat bis zum heutigen Tage Bestand.

Betta ferox ist immer eine Augenweide, ob im Fangnetz…

…im Aquarium oder direkt im Mikrohabitat aufgenommen.


In einem Teil Südthailands hegen die Leute noch sehr wilde und ursprüngliche Gedanken. Mir ist hier schon alles beim Inspizieren bestimmter Tier- und Pflanzenhabitate passiert: von blutiger, gebrochener Nase bis hin zu grenzenlosem Spaß bei der Übersetzung deutscher Witze in das Thailändische und andersrum. Die nachfolgende, sehr spaßige und im weiteren Verlauf ernsthafte Geschichte soll zeigen, dass die Einwohner Thailands von uns „Farang“ mental nicht einschätzbar sind.


So fängt man kleine Welse in Südthailand.

Die Bestimmung von Welsen der Gattung Glyptothorax fällt schwer, die im Bild gezeigte Art ist variabel in der Farbe.

Überall neugierig

Wir waren eine kleine Reisegruppe begeisterter Aquarianer. Der eine Teil begeisterte sich für Labyrinthfische, der andere Teil für Welse. Wir stiegen an der Ostflanke des Khao-Luang-Gebirges nahe dem Ort Hoi Moo auf. Mein Ziel war eine Quelle auf etwa 500m Höhe im Gebirge, von da aus der Urwaldbach bis zum Eintritt in den Fluss.

Dort kommt neben einigen anderen Fischarten vor allem die maulbrütende Kampffischart Betta ferox häufig vor, ebenso wie der Schlangenkopffisch Channa gachua. An einige Stellen am Bach im primären Wald sind wunderschöne Biotope mit Wassermoosen und -farnen zu bestaunen. Nach etwa fünf schönen Stunden erreichten wir den Fluss, wo wir neben Welsen der Gattung Glyptothorax  auch die extrem rheophile (strömendes Wasser bevorzugend) Ambliceps foratum ausfindig machten.

Ambliceps foratum bevorzugt strömendes Wasser.


Schnell schlossen sich uns Kinder der nahen Ortschaft an. Wie überall in der Welt sind Kinder neugierig, wenn Fremde kommen. Die Begegnungen sind immer herzlich und spaßig und natürlich „wissen“ die Kinder immer von viel tolleren Fischarten zu berichten. Auch diese hier kannten ganz bunte Fische, sogar rote sollten darunter sein. Ich war skeptisch, schließlich kannte ich hier prinzipiell bereits jede Fischart. Unsere Beutel waren auch schon gut mit Fischen gefüllt, darum gingen wir lachend mit.


Channa gachua im östlichen Khao-Luang-Gebiet ist sehr farbenfreudig, Unterwasseraufnahme eines Junge führenden Männchens.


Nicht weit entfernt verbreiterte sich der Fluss natürlicherweise und mit Steinen waren einfache Bassins angelegt. Die Kinder fingen sofort eine wilde Fangschlacht an – wer weiß, ob sie das durften. Schnell kamen sie stolz mit großen, farbigen Fischen an. Wir mussten lachen: Es waren Koi! Farbkarpfen, die da jemand wohl zwischenhälterte. „Erwarte alles, glaube nichts.“

Schnell stellen sich die Kinder mit Beute ein. Foto Thomas Beu

Stolze Präsentation. Foto: Mike Meuschke

Wie Wildwest

Mein Haus liegt auf der Westseite des Khao-Luang-Gebirges, also gegenüber der am Mittag besuchten Habitate. Das macht ichthyologisch einen großen Unterschied, denn die Bäche und Flüsse dieses Areals entwässern in das größte Flusssystem Südthailands, den Mae Nam Tapi. Die Fischarten-Zusammensetzung ist deutlich anders zu der an der Ostflanke. Ich wollte vor allem den Wels-Leuten einige interessante Spezies zeigen.

Um das vorbereiten zu können, setzte ich meine Gäste zu Hause ab, die bei der Zubereitung leckerer Thai-Gerichte zuschauen wollten. Ich machte mich nochmals auf den Weg, um günstige Stellen für den nächsten Tag zu suchen – die Oberläufe der Flüsse dieser Region verändern sich nach jeder Regenperiode.

Nachdem ich mehrere vielversprechende Stellen gefunden hatte, hielt ich an einer letzten Stelle am Fluss. Ich sah eine Steinbank im Fluss, die gut zu erreichen war, und wollte einige hübsche Flusssteine mit nach Hause nehmen, um die nächsten großen Durchflussaquarien damit einzurichten. Nachdem ich etwa 20 Steine gesammelt hatte, kam ein Mann mittleren Alters und sagte mir, das wären „seine Steine“.

Das war für mich so unglaublich, dass ich verdutzt innehielt. Natürlich wollte ich keinen Ärger und stoppte meine Tätigkeit. Doch der Mann wollte, dass ich die aufgeladenen Steine wieder ablade. Das ging mir zu weit und ich lehnte ab. Meine Worte, er könne sie selber abladen, machten den Mann wohl wütend, denn …er holte ein Gewehr!

Dieser Mensch bedrohte mich tatsächlich mit einer Waffe wegen ein paar Steinen für das Aquarium. Kurz darauf kamen noch zwei Schlägertypen des Ortes dazu, die ihm helfen wollten. Ich selber habe in solchen Momenten glücklicherweise keine Angstgefühle. Mein Rezept ist, beherzt, energisch und sehr laut aufzutreten. Das hat bisher immer geholfen, die Leute verdrücken sich dann.

Bisher? Ja, dieses Erlebnis war kein Einzelerlebnis. Es gab mehr, seit ich in Thailand lebe, hauptsächlich in Südthailand. Zum Glück sind Thai nicht nur aggressiv, sondern größtenteils Hasenfüße. Meist gehen solche Zusammenstöße gut. Doch hört man auch manchmal, dass eine Waffe abgefeuert wurde. Ja, Südthailand ist wie „Wildwest“, hier natürlich im negativen Sinn. „Erwarte alles, glaube nichts“.

Wenn diese Art von Geschichte gefällt, kann ich mehr bieten. Dabei geht es mehr um menschliche Schwächen und spaßige Situationen, so wie diese in heutiger Zeit eher vorzufinden sind. Sogenannte Abenteuersituationen a la Menschenfresser oder Tigerangriff sind wohl eher selten geworden.

Auch die Schilderungen über undurchsichtige Moskitoschwärme und, aufgrund zahlreicher Landblutegel, keine freie Stelle am Körper zu haben, erspare ich mir. Sowas findet fast täglich statt. Eher sollte man sich bei riesigen Bockkäfern vorsehen, die manchmal in die Nase beißen. Natürlich gibt es auch lustige Geschichten aus anderen Ländern der Region, wie etwa Laos…

 

Text & Fotos: Jens Kühne

Literatur: Ng, H.H. & M. Kottelat (2016): The Glyptothorax of Sundaland: a revisionary study (Teleostei: Sisoridae). Zootaxa 4188 (1): 001–092

 

 


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