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Artenschutz bei Malawiseebuntbarschen

Inhaltsverzeichnis

 Ein nahezu ausgewachsenes Exemplar der seltenen goldgelben Farbform vom Messerbuntbarsch (Dimidiochromis compressiceps) von Chisumulu: Der junge Fischer dürfte kaum ahnen, welch begehrte Rarität in seinen Kochtopf wandert.

Wissenschaft empfiehlt: Mehr Fische an Aquarianer verkaufen statt essen!

Es sollte sich herumgesprochen haben, dass der Schutz des Lebensraums nicht nur der beste Artenschutz ist, sondern auch die notwendige und bedingungslose Voraussetzung für jede Form des Schutzes beziehungsweise jeglicher Arterhaltung von Pflanzen und Tieren. Eigentlich. Und dass eine Entnahme von Aquarienfischen in ihren Herkunftsländern in vielen Fällen einen eher positiven Einfluss auf den Erhalt der natürlichen Ökosysteme hat, ist ebenfalls oftmals beschrieben worden (z. B. Staeck 2014, hier findet sich auch eine Fülle weiterführender Literaturstellen als Belege).

Schließlich handelt es sich im Vergleich zu etlichen anderen Erwerbstätigkeiten, die sich den Menschen in den Tropen bieten – etwa Goldsuche oder Holzeinschlag –, um eine geradezu Lebensraum erhaltende Arbeit, denn der Fischfang setzt ein intaktes Biotop voraus, andernfalls versiegt die „Produktion“ an Fischen. All das ist hundertfach gesagt und geschrieben worden.

Kein Hunger an den Ufern

Es ist keineswegs verwunderlich, dass die außergewöhnlich farbenprächtigen Buntbarsche des Malawisees – als Korallenfische des Süßwassers bekannt – von einem Liebhaber in Deutschland in erster Linie als ideale Aquarienfische gesehen werden. Zumal sie überwiegend nur rund 10 bis 15 Zentimeter groß sind und sich als mütterliche Maulbrüter bestens vergesellschaften und problemlos vermehren lassen.

Doch unabhängig von all dieser biologischen Erkenntnis und der Freude an der Natur, für Hunderttausende von Menschen, die in Malawi, Tansania und Mosambik an den Ufern dieses großen ostafrikanischen Grabensees leben, sind sie vor allem eins: Essen. Tonnenweise werden diese Cichliden jeden Tag an Land gezogen. Am Malawisee leiden die Menschen keinen Hunger.

 Fischfangstation in Kambiri (Salima): Die gefangenen Buntbarsche werden getrennt nach Fangorten und Art in großen Betonbecken gehältert.

Kleinere Fische

Als ich 1984 das erste Mal den Malawisee besuchte und sechs Wochen lang tauchend die faszinierenden Lebensräume dieses einmaligen, knapp 600 km langen Gewässers kennenlernen durfte, betrug die Einwohnerzahl von Malawi 4 Millionen. 2020 waren es mit 19 Millionen fast fünfmal so viele Menschen.

Es mag eine subjektive Wahrnehmung sein, aber in den Folgejahren und insbesondere ab 2010 hatte ich den Eindruck, dass an den besonders dicht von Menschen besiedelten Küstenabschnitten auf Tauchgängen deutlich weniger größere Fische zu beobachten waren. Und auch die in den Restaurants servierten, seetypischen Chambos, eine Tilapie der Gattung Oreochromis, sind im Laufe der Jahrzehnte definitiv kleiner geworden.


Aquarienfische werden am Malawisee gezielt gefangen. Die gewünschten Exemplare werden unter Wasser vorsichtig mit der Hand aus dem Netz gelöst und zum Boot gebracht.

Südafrikanische Wissenschaftler um Tony Ribbink studierten Anfang der 1980er Jahre die unglaubliche Artenvielfalt an Malawisee-Cichliden, insbesondere der Felsenbuntbarsche (Mbuna) und präsentierten sie erstmals umfassend in einem „vorläufigen Bericht“ der Weltöffentlichkeit (Ribbink et al. 1983). Einen wesentlichen Anstoß hatten nicht zuletzt die zahlreichen von Aquarianern vorgelegten Berichte über diese Buntbarsche gegeben – seit Anfang der 1960er Jahre wurden Malawisee-Cichliden vor allem nach (West-)Deutschland exportiert.


Anfang der 1980er Jahre wurde der erste Süßwasser-Unterwassernationalpark der Welt im Süden des Malawisee bei Cape Maclear gegründet.

Ribbink et al. wiesen darauf hin, dass der Gegenwert eines Buntbarsches in „harter“ Währung wesentlich höher ist als jener, der sich aus seinem Eiweißgehalt ergibt: Damit meinen die Wissenschaftler, dass Malawi seine einzigartigen Buntbarsche mehr an Fischliebhaber verkaufen und weniger davon aufessen sollte, da man mit dem Verkaufserlös ein Vielfaches an Protein erwerben kann.


Die zu den Utaka zählenden Copadichromis-Arten, hier C. geertsi, sind beliebte Aquarienfische. Hier werden sie durch Trocknung haltbar gemacht für den kleinen Hunger zwischendurch.

Teamleiter Maison Maulana präsentiert stolz ein vollgefärbtes Männchen von Eclectochromis ornatus.


Auch in den Felsbezirken wird gefischt, wenngleich ein hohes Risiko besteht, sein (teures) Netz einzubüßen. Die tauchenden Aquarienfischfänger sind dann hochwillkommen, das eingeklemmte Netz loszuschneiden.

Fischfang und Abholzung

Es gibt jüngere Berichte, wonach einige Arten, die nur ein begrenztes Verbreitungsgebiet haben, selten geworden sind (Johnson 2019). Genannt werden zumeist Pseudotropheus saulosi vom Taiwan-Riff vor Chisumulu, Melanochromis loriae („Chipokae“) von den Chindunga Rocks vor Chipoka sowie Aulonocara kandeensis von der Insel Kande. Bei diesen Cichliden handelt es sich allerdings keineswegs um Fische, die besonders häufig gehalten oder nachgefragt werden, wie etwa beim gelben Labidochromis sp. „Yellow“. Insgesamt halte ich es für schwierig, hier ohne entsprechende Untersuchungen zu einer belastbaren Bewertung zu kommen.

Nach meiner Einschätzung geht die derzeit einzige reale Bedrohung der Artenvielfalt des Malawisees von der Zunahme der Bevölkerung am See aus. Dabei dürfte der lokale Fischfang zwar eine wesentliche, aber möglicherweise gar nicht die entscheidende Rolle spielen. Erhebliche Auswirkungen dürfte das Abholzen der Vegetation haben. Holz ist ein wichtiges Brennmaterial.


Wenn die Bodenkrume dann nicht mehr festgehalten wird und bei Regen in den See gespült wird, trübt sich das Wasser und die Sonnenstrahlen dringen nicht mehr so tief ein. Der dicke Aufwuchs, der im Malawisee Steine und Felsen überzieht, ist zusammen mit den planktischen Algen die Nahrungsgrundlage für viele Buntbarsche. Dieser Anfang der Nahrungskette ist direkt von der Sonnenenergie abhängig und wenn das Algenwachstum signifikant abnimmt, dürfte dies unmittelbare Folgen auf die Nährstoffversorgung aller anderen Bewohner im und am Malawisees haben.

Am späten Nachmittag kehrt die an der Nordwestküste in Chilumba stationierte Fangmannschaft in den Hafen zurück.

Langjährige Fischhausmitarbeiter haben schon so manchen Besucher mit ihrer Artenkenntnis überrascht.


Informationen aus erster Hand: Aquarianergruppe begutachtet die frischgefangenen Neuzugänge in der Fischfangstation.


Text & Fotos: Andreas Spreinat

 

Literatur:

Johnson, L. (2019): Saving Chindongo saulosi „Taiwanee Reef“. Cichlid News 28 (4): 18-20.
Ribbink, A.J. & B.A. Marsh, A.C. Marsh, A.C. Ribbink, B.J. Sharp (1983): A preliminary survey of the cichlid fishes of rocky habitats in Lake Malawi. S. Afr. J. Zool. 18 (3): 149-310.
Staeck, W. (2014): Auswirkungen eines Verbots der Wildtierhaltung auf die Aquaristik. D. Aqu. u. Terr. Z. (DATZ) 67 (11): 24-21.


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